Kriterien einer Internetsucht
Inhaltsübersicht zum Thema Kriterien einer Internetsucht:
Woran erkenne ich, ob ich von einer Internetsucht betroffen bin?
Internetsucht als Verhaltenssucht
Kriterien einer Internetsucht
Woran erkenne ich, ob ich von einer Internetsucht betroffen bin?
Die meisten Betroffenen verbringen viel Zeit im Internet. Eine intensive Nutzung ist jedoch nicht automatisch problematisch oder führt zwingend zu einem Suchtverhalten. Stattdessen ist die Zeit ein Risikofaktor. Sprich, je höher die eigene Nutzungszeit ist, desto wahrscheinlicher liegt eine Internetsucht vor. Nachfolgend werden die Unterschiede zwischen einer intensiven Nutzung, einer problematischen Nutzung und einer Sucht erklärt. Ebenso ist aufgeführt, welche Anzeichen es für eine Intersucht gibt und wie sich die Sucht auswirkt.
Für eine ausführliche Einführung in das Thema Internetsucht und eine detaillierte Erklärung der Kriterien einer Sucht gehe direkt zum Abschnitt Internetsucht als Verhaltenssucht.
Unterschied zwischen intensiver Nutzung, problematischer Nutzung und Sucht
- Nicht jede intensive Online-Aktivität ist problematisch oder führt zu einer Sucht
- Entscheidend ist, ob das Online-Sein schlechte Auswirkungen auf das alltägliche Leben hat
- Es ist wichtig, zwischen gesunder Nutzung, problematischer Nutzung und Suchtverhalten zu unterscheiden
- Problematische Nutzung bedeutet nicht automatisch Sucht, hat jedoch oft mehr negative Auswirkungen auf Gesundheit, Arbeit oder Beziehungen
Du benötigst sofortige Hilfe?
Bitte wähle den Notruf 112.
Bis zur Fertigstellung unseres digitalen Angebots sind wir im LWL-Universitätsklinikum Bochum für dich da.
Ambulanz
LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Alexandrinenstraße 1–3
Tel: 0234 5077-3333
Internetsucht als Verhaltenssucht
- Internetsucht ist eine Verhaltenssucht
- Betroffene können nicht aufhören, online zu sein, obwohl es ihnen schadet
- Vergleich mit substanzgebundenen Süchten: Bei Alkohol- oder Drogensucht müssen Betroffene immer wieder zu einem Suchtmittel greifen
Welche Anzeichen für Internetsucht gibt es?
- Betroffene denken ständig ans Internet und planen ihren Alltag drum herum (Gedankliche Vereinnahmung)
- Online-Zeit wird genutzt, um sich besser zu fühlen oder Stress abzubauen (Stimmungsänderung)
- Immer mehr Zeit oder intensivere Aktivitäten sind nötig, um zufrieden zu sein (Toleranz)
- Ohne Internet treten Unruhe, Gereiztheit oder Schlafprobleme auf (Entzug)
- Beziehungen, Arbeit und Schule leiden unter der exzessiven Nutzung (Konflikte)
- Betroffene schaffen es nicht, ihre Online-Zeit zu reduzieren, obwohl sie es wollen (Rückfall)
Wie wirkt sich Internetsucht aus?
- Andere Hobbys und Aktivitäten werden vernachlässigt (Interessenverlust)
- Betroffene bleiben online, auch wenn sie wissen, dass es ihnen schadet (Fortsetzung trotz Problemen)
- Es können Beziehungen zerbrechen, Schulden entstehen oder der Job verloren gehen (Schäden und Verluste)
Woran erkennen Experten Internetsucht?
- Fachleute verwenden hierfür das „Komponentenmodell der Verhaltenssucht“
- Dieses Modell bezieht sich auf die oben beschriebenen sechs Hauptmerkmale (gedankliche Vereinnahmung, Stimmungsänderung, Toleranz, Entzug, Konflikte und Rückfall)
- Wenn mehrere dieser Merkmale über längere Zeit vorkommen und das Leben stark negativ beeinflussen, sprechen Fachleute von Internetsucht
Internetsucht als Verhaltenssucht
Die Fachwelt geht davon aus, dass Internetsucht auf bestimmten Auffälligkeiten im Verhalten beruht. Sie steht dabei im Gegensatz zu den substanzgebundenen Süchten wie Alkohol- oder Drogensucht, bei denen der Konsum einer Substanz und dessen Wirkung im Mittelpunkt steht. Eine Verhaltenssucht ist definiert als ein Zwang zu einer belohnenden Aktivität, die trotz negativer Folgen für das körperliche, psychische, berufliche, akademische oder finanzielle Wohlbefinden der Person fortgesetzt wird. Es wurden allerdings Ähnlichkeiten der neuronalen Bahnen für Belohnung im Gehirn bei Verhaltens- und Substanzsucht gefunden. Da sich außerdem die Kriterien, die für eine Sucht sprechen, überschneiden, wird auch bei exzessivem Online-Verhalten von Sucht gesprochen.
Die Kriterien für eine Verhaltenssucht können Betroffenen oder Angehörigen Hinweise zum Ausmaß der Betroffenheit geben und ein erstes Verständnis für das eigene Erleben fördern. Die meisten Betroffenen verbringen viel Zeit im Internet. Die Internetnutzungszeit an sich ist jedoch kein eindeutiges Abhängigkeitskriterium, sondern ein Risikofaktor. Sprich, je höher die eigene Nutzungszeit ist, desto wahrscheinlicher liegt eine Internetsucht vor.
Wissenschaftler:innen und Behandler:innen urteilen über das mögliche Vorliegen von Online-Verhaltenssüchten mit Hilfe des Komponentenmodells der Verhaltenssucht (siehe im Detail weiter unten), das auf dem Modell für Substanzabhängigkeiten basiert. In diesem Modell werden süchtige Verhaltensweisen anhand von sechs Komponenten bewertet: (a) Salienz, (b) Toleranz, (c) Stimmungsänderung, (d) Rückfall, (e) Entzug und (f) Konflikt. Dieses Modell entspricht den Diagnosekriterien für Verhaltenssüchte wie Glücksspielsucht und internetbasierte Glücksspielsucht und wird im Folgenden genauer erklärt.
Kriterien einer Internetsucht
Nicht jede Online-Aktivität, die viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, ist automatisch problematisch oder birgt Suchtgefahr. Entscheidend ist, ob sie zu Konflikten mit anderen Lebensbereichen führt oder übermäßig das Leben dominiert. Online-Leidenschaften (z. B. Gaming als Hobby) können positiv im eigenen Leben wirken. Problematisch wird es, wenn sie obsessiv werden und das soziale, berufliche oder emotionale Leben beeinträchtigen. Deshalb ist es bedeutsam, zwischen gesundem, intensivem Engagement und problematischem bzw. suchtartigem Verhalten zu unterscheiden. Untersuchungen heben hervor, dass eine hohe, wiederholte und intensive Beschäftigung mit einer Online-Aktivität nicht per se problematisch ist und auch nicht zwangsläufig mit negativen Folgen verbunden sein muss.
Außerdem ist es wichtig, zwischen problematischer Nutzung und Suchtverhalten zu unterscheiden. Problematische Nutzung wird in der Fachwelt nicht als pathologischer psychischer Zustand betrachtet, sondern vielmehr als eine Aktivität, die im Vergleich zu gesundem Verhalten häufiger negative Auswirkungen auf das tägliche Leben hat.

Problematische Online-Nutzung kann verschiedene Aspekte des Lebens negativ beeinflussen, wie zum Beispiel die psychische und physische Gesundheit, Bildungs- und Arbeitsleistungen sowie soziale Bindungen. Sie stellen einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Verhaltenssucht dar.
Welche Kriterien weisen nun auf eine Verhaltenssucht hin? Woran kann man sich orientieren?
Das biopsychosoziale Komponentenmodell der Sucht
Das biopsychosoziale Komponentenmodell der Sucht geht davon aus, dass jedes Verhalten süchtig machen kann. Wenn eine Sucht vorliegt, zeigen betroffene Personen Symptome aus sechs psychologischen Bereichen: Salienz, Stimmungsänderung, Toleranz, Entzug, Konflikt und Rückfall.

Eine Abhängigkeit liegt vor, wenn mehrere dieser Kriterien über einen längeren Zeitraum erfüllt sind und das Leben der betroffenen Person erheblich beeinträchtigen.
Salienz
Salienz meint eine gedankliche Vereinnahmung und übermäßige Beschäftigung mit der Online-Aktivität. Betroffene verbringen einen Großteil ihrer Zeit damit, an die Aktivität zu denken und dementsprechend den Alltag zu planen. Der Gedanke an die Internet-Aktivität dominiert den Alltag und verdrängt andere Prioritäten.
Toleranz
Es ist bekannt, dass bei substanzbezogenen Süchten wie Alkohol- oder Drogensucht Betroffene mit der Zeit ihren Konsum steigern müssen, um dieselbe Wirkung zu erleben. Dasselbe gilt auch für Betroffene der Internetsucht: Sie müssen ihre Nutzungsdauer oder die Intensität der Aktivitäten immer weiter steigern, um dieselbe Befriedigung zu erleben. Das frühere Maß an Internetnutzung reicht nicht mehr aus oder die Reize / der Kick müssen stärker werden.
Konflikt
Die exzessive Nutzung führt zu Konflikten in verschiedenen Lebensbereichen, wie Familie, Partnerschaft, Freundeskreis oder im beruflichen Umfeld. Oft fühlen sich Betroffene schuldig oder überfordert, was die Konflikte weiter verstärkt.
Stimmungsänderung
Dieses Kriterium bezieht sich auf die Nutzung des Verhaltens, um Stress, Angst, depressiven Symptomen oder generell negativen Gefühlen etwas entgegenzusetzen und sich besser zu fühlen. Der Online-Aktivität wird nachgegangen, weil andere Strategien zur Bewältigung negativer Gefühle fehlen oder nicht aktiviert werden können.
Entzug
Ist der Zugang zum Internet eingeschränkt oder nicht vorhanden, treten unangenehme körperliche oder psychische Reaktionen wie innere Unruhe, Gereiztheit, Stimmungsschwankungen oder Schlafprobleme auf.
Rückfall
Mit der Sucht geht ein Kontrollverlust einher. Betroffene haben Schwierigkeiten, ihre Zeit für die (jeweils betroffene) Online-Aktivität zu begrenzen, obwohl sie sich der Problematik bewusst sind. Versuche, die Nutzung zu reduzieren, scheitern immer wieder.
Zusätzliche Kriterien
Weiterhin haben sich folgende Punkte zusätzlich als Kriterien in Forschung und Praxis für die Internetverhaltenssüchte als wichtig ergeben, die die oben aufgeführten sechs Kriterien in bestimmten wichtigen Aspekten ergänzen:
Verhaltensbezogene Einengung
Im Verlauf der Sucht lässt sich ein Interessensverlust an anderen Dingen beobachten. Betroffene ziehen sich aus sozialen, beruflichen oder anderen Freizeitaktivitäten zurück. Hobbys und Interessen, die früher Freude bereitet haben, werden aufgegeben, um mehr Zeit online verbringen zu können.
Fortsetzung trotz Problemen
Auch wenn Betroffene erkennen, dass ihre Internetnutzung negative Auswirkungen auf ihre Psyche, Beziehungen oder den Beruf hat, setzen sie das Verhalten fort. Es überwiegt die Angst, auf die bestimmte Online-Aktivitäten verzichten zu müssen.
Entstehung von Verlusten
Die Sucht kann zu ernsthaften persönlichen, beruflichen oder finanziellen Verlusten führen. Beziehungen können zerbrechen und finanzielle Schulden entstehen. Auch Arbeitsplatzverlust oder schlechte Schulleistungen können als Folgen der Verhaltenssucht auftreten.